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Kristall-Kind

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AngelWithLittleHands's avatar
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„Du fühlst immer so viel!“
„Ja, es tut mir leid...,“ antwortet sie, wie immer.
„Entschulding,“ schiebt sie hinterher, wie immer.
Dabei fragt er sich, wofür sie sich eigentlich entschuldigt,
das sollte doch kein Vorwurf sein, er bewundert sie, sein Kristallmädchen,
schillernd und durchsichtig, wie Tränen.
„Nein, nein hör auf,“ sagt er, aber es ist zu spät, sie ist verschwunden,
obwohl er noch vor ihr steht, ihre Wange berührt.
Sie ist abgetaucht, in den Tiefen, die er nicht erreichen kann.
Diamanten sind durchsichtig im Wasser.
Sie schwebt davon, obwohl sie so bodenständig aussieht.
„Anna, komm zurück!“
Sie dreht sich um, jetzt verlässt auch ihr Körper ihn, lässt ihn stehen in der Wintersonne.
Alles dreht sich, ihm ist schwindelig.

Immer diese Angst. Immer dieses vorsichtig sein müssen.
Kristalle zerbrechen so schnell, viel zu schnell, sie zerbröseln, wie Sandburgen im Wind.
Was bleibt sind Splitter, viel zu viele, um sie alle einsammeln zu können.
Und dennoch, dennoch versucht er es, immer und immer wieder.
Er läuft ihr nach, greift nach ihrer Hand, „Anna, bitte,“ er schaut sie bittend an, er versucht ihr den Boden wieder zu geben, den sie verloren hat,
er will sie doch nur in seinen Armen halten, wissen, dass sie in Sicherheit ist,
vor all dem, was in ihr wütet.
Aber er weiß auch, dass er sie nicht beschützen kann.
Deshalb nimmt er ihre Hand, ganz fest in seine und hält sie in seinen Armen, während sie zu ihm zurück kommt, und beginnt zu weinen.
Meistens versteht er es nicht. Er hat viel gelesen über Kristallkinder, seit er sie kennt.
Aber sie ist so einzigartig. So anders, und das jeden Tag.

„Du bist wie mein Wegweiser,“ sagt sie auf einmal. Er bleibt stumm, er weiß, dass er keine Worte braucht, wenn sie ihre wieder findet.
„Du bist mein Boden, wenn ich ihn verliere. Du bist die rettende Insel in meinem Meer aus Gefühlen, in dem ich zu ertrinken drohe. So viele Gefühle, das kannst du dir nicht vorstellen.
Alles ist so bunt, und so laut und zugleich so geheimnisvoll.
Ich verstehe so oft nicht, was ich fühle.
Als würde ich eine andere Sprache sprechen, weißt du,“ versucht sie ihm zu erklären.
Er sieht sie nur an und ist still. Sie ist so wunderschön. Sein Engel, ja, ein Engel so blass,
er hat Angst um sie, jeden Tag, seit er begriffen hat,
wie groß das Meer in ihr ist. Er weiß, wie schnell man ertrinken kann.
Trotzdem hält er sie, er hält sie so fest, bis sie den Boden unter ihren Füßen wieder findet, bis ihre Augen wieder auftauchen. Er schaut sie an und liebt sie, weil sie noch schöner ist, als jeder Kristall, noch viel facettenreicher, so viel bunter und zugleich, so viel tiefer, manchmal beängstigend kalt.
„Ich liebe dich, ich sehe dich, so wie du bist, mein Engel,“ sagt er, während er ihre eiskalten Hände wärmt und ihr seine Jacke um die schmalen Schultern legt.
Sie schaut ihn an, mit diesen Augen, die leuchten, wie der Sonnenuntergang und sagt: „Ich dich auch, ja, ich dich auch, von unten bis oben und bis tief hinein in dein wunderschönes Herz.
Denk nicht, ich würde alles fühlen, nur dich nicht.
Du bist für mich ein noch größeres Rätsel, als alles andere. Ich würde dich so gern verstehen.“
Nun hat sie ihm endgültig die Sprache genommen, was soll er dazu noch sagen?
Sie berührt ihn, mit allem was sie sagt, mit so vielem, was sie tut
und endlich rinnen Tränen, wie kleine Diamanten über seine Wangen.
Ein Beitrag für den Schreibwettbewerb bei den Schreiberlingen
© 2015 - 2024 AngelWithLittleHands
Comments9
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keeper-loves-writing's avatar
Ich bin hin und hergerissen, was diese Geschichte betrifft^^ Eigentlich sind seine Beschreibungen und Gedanken schon ein bisschen too much für meinen persönlichen Geschmack, aber das passt auf der anderen Seite sehr gut zur Stimmung.

Was ich auf jeden Fall toll getroffen fand, war die Bildhaftigkeit - gerade weil sie sagt, dass sie das Gefühl hat, eine andere Sprache zu sprechen, und ihre Worte sich dann auch ganz klar von seinen und von der Erzählerstimme abheben.
Ich mag auch das Gefühl und die große Emotionalität, die aus dem ganzen spricht - vor allem aus ihrer Seite. Mit ihm ... komme ich wie gesagt nicht so ganz klar - auch wenn ich das Grundproblem und das Bedürfnis, richtig mit ihr umgehen und ihr helfen zu können, verstehen kann.

Zu guter letzt ein kleines Verständnisproblem dank Zeichensetzung: "Deshalb nimmt er ihre Hand, ganz fest in seine und hält sie in seinen Armen, während sie zu ihm zurück kommt, und beginnt zu weinen."
Wer weint hier? Sie oder er?
Vom Verlauf der Geschichte hatte ich eigentlich gedacht, dass sie es ist, weil am Ende so betont wird, dass er dann letztendlich doch auch weint. Sollte das der Fall sein, muss das letzte Komma weg - denn dann sind beide "während-Aktionen" ja von hier. Wenn du nach dem zurückkommen das Komma setzt, ist das verwirrend, weil es eigentlich implizieren würde, dass du damit zeigen willst, dass ein Personenwechsel vorliegt - also dass dieser Teil des Satzes wieder zu den Beschreibungen von ihm gehört.